Fällt dir spontan eine Straße ganz ohne Werbung ein?
Selbst wenn diese Frage mit „nein“ beantwortet wird, stellt sich beim Faktencheck oft das Gegenteil heraus. Vor allem in den Städten gibt es kaum Orte, in denen unser Blick nicht bald auf einer Werbefläche landet1. Waren es früher „nur“ Plakatwände am Straßenrand und beklebte Litfaßsäulen, sind es heute Bildschirme an Haltestellen und großflächig bespielte Hauswände. Immer größer werdende und leuchtende Außenwerbeflächen nehmen immer mehr Platz im öffentlichen Raum ein. Längst haben wir uns jedoch daran gewöhnt, sie sind für viele so normal wie Fußgängerampeln und Verkehrsschilder.
Wer bestimmt den visuellen öffentlichen Raum?
Warum soll es in Ordnung sein, ständig ungefragt Produktwerbung vor der Nase zu haben? Haben wir nicht auch ein Recht darauf mitzubestimmen, wodurch der öffentliche Raum visuell geprägt wird? Zwar gibt es in Österreich Gesetze, die die Größe und Form von Werbung – je nach Stadt und Region unterschiedlich – reglementieren. Diese Regeln schützen vor allem historische Altstädte vor zu viel kommerzieller Verhüllung, anderen Bereichen der Städte oder Orte wird aber oft kein solcher Schutz zugesprochen. Anrainer:innen oder Bürger:innen haben kaum bis keine Möglichkeit, eine Reduktion der Werbung zu fordern – obwohl das die Lebensqualität steigern würde. Das Dogma „Wer zahlt, schafft an“ bestimmt, was wir sehen müssen. International gibt es jedoch schon viele Beispiele von Städten, die Außenwerbung verbannt haben: Etwa Grenoble in Frankreich, Bergen in Norwegen, oder São Paulo in Brasilien.2
Das soll sich ändern
Eine Möglichkeit ist, bestehende Werbeflächen durch Anrainer:innen und Bürger:innen evaluieren, und gegebenenfalls demontieren zu lassen.3 Auch muss überlegt werden, neue Werbeflächen nur nach der Zustimmung der direkt Betroffenen, und nur für eine gewisse Zeitspanne zu bewilligen.
Oft wird jedoch eingewendet, dass so manche Gegend ohne Außenwerbung noch monotoner wird. Wo dieses Risiko besteht, kann auch ein noch besserer Weg eingeschlagen werden: Durch Kunst statt Werbung. Wandgemälde, Installationen und temporäre Projekte zeigen schon lange, dass Städte durch Kunst dort bereichert werden, wo der Städtebau nur aus ideenlosen Zweckbauten besteht. Eine Transformation von Werbewänden und -bildschirmen kann auch sogenannte „Nichtorte“ beleben und Diskursflächen eröffnen, wo vorher nur weggeschaut wurde.
1 Am Projekt „delete“ wurde 2005 anhand von überdeckten Werbeflächen in einer Straße die Menge an Werbung sichtbar gemacht: https://www.steinbrener-dempf.com/portfolio-item/delete/
2 https://mosaik-blog.at/werbung-werbeverbot-stadt-wien/
3 Das Adfree Cities Network in Großbritannien ist ein positives Beispiel für die Einbindung der unmittelbar Betroffenen: https://adfreecities.org.uk/
Illustration Seitenleiste: Lisi Pressl (Creative Commons-Lizenz BY-NC-SA 4.0)